viel mehr als Reiten

Seit meinem dritten Lebensjahr dreht sich bei mir nahezu alles um die wundervollen Vierbeiner, die uns nicht nur durch ihre Anmut, sondern auch durch ihre Intelligenz begeistern. Ja, genau! Ich bin praktisch mit dem verführerischen Duft von Pferden, Heu und saftigem Gras aufgewachsen und meine Kindheit war ein wenig wie „Ferien auf dem Immenhof“. Erst an der Hand meines Opas und dann mit meinem 1,5 J älteren Bruder lernte ich den einzigartigen Umgang mit Pferden kennen. und egal ob Pony oder Kaltblut: Ich liebte sie alle!

Wir Kinder der 1960iger waren ziemlich auf uns allein gestellt und so brachten uns die Pferde ihre Sprache bei. Das ging nicht immer schmerzlos ab. Vor allem die Schulpferde, damals noch in Ständerhaltung, waren nicht gerade sehr entspannt und freundlich. Wir Kinder lernten schnell, vor welchem Huf wir uns in Acht nehmen mussten oder wie wir einem Biss geschickt ausweichen können. Der Reitunterricht fand in Gruppen bis zu 17/18 Pferden statt und mancher Reitlehrer kam direkt vom Kasernenhof. Der Umgang mit Menschen und Tieren war rau und laut. Ich war alles andere als ein Weichei und Stürze vom Pferd nahm ich mit einem Achselzucken und vielen Prellungen und Gehirnerschütterungen hin. Die ersten Erfahrungen zeigten mir: Pferde sind nicht immer nett, auch wenn ich sie so sehr liebte.

Mit neun Jahren trat dann mein Herzenspferd, das „Schlappohr“ Ripacs, in mein Leben. Er war ein Rebel auf 4 Beinen und seine Lieblingsübungen waren das Steigen und mich mit gezielten Bocksprüngen auf den Boden zu befördern. Er schien unberechenbar. (Heute weiß ich es besser) Die unzähligen Narben und Verletzungen, die er mir die ersten zwei Jahre zufügte, kann ich gar nicht mehr zählen. Einmal wurden meine Eltern sogar gefragt, ob sie mich umbringen wollten mit diesem Pferd. Nein! Das Leben war für mich kein Pony-Hof mehr. Die Hinweise der Erwachsenen: „Setz Dich durch! Der braucht mal eine richtige Tracht Prügel“ wollte ich nicht annehmen. Ich liebte ihn doch! Also versuchte ich rauszufinden, warum er mich biss und nach mir trat. Was konnte ich tun, damit er damit aufhört? Ich begann ihn genau zu beobachten.

Mit 11 Jahren ging es erstmal los: Die Turnierzeit! Mittlerweile standen 2 eigene Pferde im Stall. Dann waren es irgendwann schon 4. Ja, ich war ein echter „Pferdesportler“. Ich ritt Kreise, überwältigte Hindernisse und gab mein Bestes, um im Dressurviereck nicht wie ein tanzendes Nilpferdchen auszusehen. Ich absolvierte Abzeichen und war stolzes Mitglied der Vereins-Mannschaft und verbrachte viele Sonntagvormittage im Springtraining.

Doch es gab auch eine andere Seite „Wer Tiere in sein Leben holt, muss Verantwortung übernehmen“, das war die tägliche Mahnung meines Vaters. Während andere Jugendliche noch schliefen oder sich mit Freunden trafen, polierte ich Zaumzeug, Sättel und Tiere auf Hochglanz. Täglich versorgte ich die Pferde und Ställe. Ich ritt mehrmals wöchentlich zum Training und mein Leben bestand aus schlaflose Nächten in Pferdeboxen bei kranken Pferden, vergessene Schulaufgaben, verpatzten Klassenarbeiten, abgesagten Geburtstagen, und täglich reiten, reiten, reiten…. immer unter den strengen, unerbittlichen Blicken meines Vaters. Das war mein jugendlicher Alltag und oft flossen heimlich Tränen. 

Doch meine Leidenschaft war das Gelände- und Jagdreiten! Ich hatte mich mit meinem Heißblut Ripacs geeinigt: Er darf machen was er will, wenn er tut was ich möchte. Ich lernte mit ihm umzugehen und ein tiefes Vertrauen entstand. Er war ein hervorragendes Geländepferd und auf seinem Rücken war mir kein Sprung zu hoch, kein Weg zu steil und kein Stoppelfeld zu lang. Oft saß ich ohne Sattel, nur mit Halfter auf ihm. Es gab nichts Besseres, als durch Wälder, über Hindernisse, Berg auf und ab, über Felder zu galoppieren, das pochende Herz und den tiefen Atem des Pferdes zu spüren und das Gefühl der Freiheit und mit dem Pferd eins zu sein. Und das Beste daran: Es gab keinen Richter, der die Noten verteilt! Mein innigster Traum, einmal den Fuchsschwanz zu greifen, erfüllte sich tatsächlich als ich 15 Jahre alt wurde. Ich konnte es kaum fassen, dass mein „Alter Klepper“ es mit 19 Jahren geschafft hat und habe Tränen der Freude vergossen. Die raus geputzten Mädels in ihren teuren Reitjacken auf ihren edlen Pferden, die vorher über mein krummbeinigen Zossen gelacht haben, sind geplatzt vor Wut.

Im folgenden Herbst war ich dann noch zweimal die jüngste Fuchsreiterin im Landkreis mit unserer jungen Nachwuchsstute. Das ist zwar eine großartige Leistung, aber ehrlich gesagt fand ich das schon fast wieder langweilig. 

Durch unsere junge Szimpatica und mein damaliges Federgewicht begann ich immer öfter die jungen Pferde der Umgebung anzureiten. Das gefiel mir schon viel besser. Aber auch da zahlte ich Lehrgeld in Form von Unfällen. Seltsamerweise immer, wenn meine Mutter schauen wollte, was ihr „Große“ so treibt.

Ja,…………………. so war das damals in meinem früheren Leben. Unsere Lehrmeister waren tatsächlich die Pferde. An sie und und einen meiner damaliger Reitlehrer Klaus Balkenhol muss ich fast täglich denken, denn sie haben mein Leben geprägt.

Entschuldigt die antiquierten Bilder. Damals waren wir glücklich über jedes Foto.

Schnitt! …. Das Buch über diese Zeit werde ich in 20 Jahren vielleicht schreiben.

Im Laufe der Jahre sammelte ich unterschiedliche Erfahrungen mit meinen insgesamt 10 eigenen Pferden.  (Wieviel Reitbeteiligungen es waren kann ich nicht mehr genau sagen) Sie alle haben mir eine Fülle an Wissen und Einsichten beigebracht. Oder um es genauer zu formulieren: Sie lehrten mich die Bedeutung von Geduld, Respekt und Empathie. Es reicht nicht aus, einfach nur aufzusitzen und loszustürmen. Nein, man muss das Pferd verstehen, seine Sprache sprechen und auf seine individuellen Bedürfnisse eingehen. Das ist, als würde man versuchen, mit einem Teenager zu kommunizieren – manchmal ist das ein wahres Rätsel, aber beide (Teenie und Pferde) zeigen ihre beste Seite, wenn sie sich angenommen fühlen. Als Mutter durfte ich das auch erleben.

Unbewusst vertiefte ich meine Beziehung zu diesen wunderbaren Geschöpfen, indem ich Praktika beim Tierarzt machte, in Pferdeställen und auf einer Ranch arbeitete, sowie etliche Seminare und Kurse in verschiedenen Pferdebereichen besuchte.

Irgendwann begann ich, den alten knorrigen Stallmeister aus meinen Kindertagen und seine besondere Beziehung zu den Pferden zu verstehen. Er hörte ihnen aufmerksam zu, war konsequent und führte sie alle souverän. „Geh nie mit schlechter Laune zum Pferd. Geh lieber auf den Trimm-Dich-Pfad um den Brass loszuwerden. Das hat beim Pferd nix verloren. UND! wenn Du Streit mit Deinem Pferd hattest, geh nochmal zu ihm und entschuldige Dich! Es ist wie mit einem kleinen Kind, es kannn sonst nicht schlafen. Es weiß nicht was es falsch gemacht hat.

Das ganze Wissen was ich mir angeeignet habe, hat mich dazu gebracht, vom Pferd abzusteigen und nicht mehr aufzusitzen. Ich wollte nicht mehr mein Vergnügen auf Kosten eines anderen Lebewesen. Der Dokumentarfilm „Der Weg des Pferdes“ von Stormy May spiegelt was ich heute über Pferde und Reiterei denke. Es gehört ein extremes Wissen, sehr viel Konsequenz und Kompetenz in allen Bereichen dazu, damit das Pferd durch den Reiter keinen Schaden nimmt.

Die letzten Jahre habe ich erneut die Schulbank gedrückt und neben der Weiterbildung zur Pferdgestützten Pädagogin auch mein Wissen über Heilkräuter und Naturheilverfahren vertieft. Ich meine, wer könnte besser über Kräuter und Heilpflanzen informieren als jemand, dessen Nahrung es ist?! Wenn ich sehe, welches Kräutlein ein Pferdchen gerade genüsslich kaut, dann sagt es mir viel über seinen Gesundheitszustand und ich kann ableiten, wie das Pflänzchen dem Menschen helfen kann. 

Es ist einfach faszinierend, wie viel die Tiere und die Pflanzen uns lehren können, auf unsere Gesundheit und Wohlbefinden zu achten. Wenn ich mit Kindern über das Leben am Stall spreche, sprudelt es nur so aus mir heraus: „Wusstest du, dass Löwenzahn nicht nur die Lieblingsspeise deiner Ponys ist, sondern auch ein großartiges Heilmittel gegen…?“ Und schon stehe ich wieder da, mit leuchtenden Augen und einem Kopf voller ergiebiger Informationen. Ich liebe es einfach mein Wissen zu teilen und weiterzugeben und als geborene Rheinländerin liegt mir das „Quatschen“ im Blut.

In meinem „anderen“ Beruf unterstütze ich Jugendliche bei der Suche nach einer geeigneten Ausbildung. Diese Jugendlichen haben selten einen problemlosen Lebensweg und auch hier hilft mir mein Wissen über Pferde. Oft muß ich „zwischen den Zeilen lesen“, Vertrauen aufbauen, ihnen zuhören, einen Weg aufzeigen und dann an den Jugendlichen und sein Können glauben.


So, nun weißt Du so Einiges über mein Leben mit Pferden. Erzähl mir doch ein wenig über Dich

Hestia | Powered by WordPress